Am meisten Spaß macht es Christa Schweppe, „wenn es voll ist“ und es viel zu tun gibt. Dann ist dieser Mittwochmorgen der Idealfall. Oben im ehemaligen Ratssaal frühstückt die Radfahrgruppe von Ewald Kluck mit 20 Frauen und Männern, die Tische im Café Vier Jahreszeiten des Mehrgenerationenhauses (MGH) darunter sind bis auf einen alle reserviert, die Bridge-Frauen müssen deshalb schon in den Raum der Kolpingjugend ausweichen. Es läuft, freut sich Judith Meier-Essmann, die mit einem Mini-Job das Café organisiert. 

Allerdings ist sie froh, dass eine Gruppe noch kurzfristig abgesagt hat. Wobei der Tisch dann doch mehrfach von „spontanen Gästen“ belegt wird. Denn dieser „Erfolg“ bringt die Ehrenamtlichen an die Grenze des Möglichen, auch wenn das Mittwochsteam mit Christa Schweppe, Ellen Reddermann, Regina Heckmann und Raimund Lambertz gut aufeinander eingespielt ist. 

Freiwilligen-Team ermöglicht Service
14 Ehrenamtliche, 13 Frauen und ein Mann, bieten montags, mittwochs und freitags das Café mit Service an, servieren Kaffee oder Kakao und für viele ein Frühstück nach Wunsch. Dienstags und donnerstags stellt Judith Meier-Essmann Kaffee in Kannen und Tassen im Offenen Treff bereit. Jeder kann sich gegen eine Spende bedienen. Gerne würde sie die Servicezeiten noch um einen weiteren Tag ergänzen, aber dazu reicht die Zahl der Ehrenamtlichen derzeit nicht aus. 

Der Stamm an Freiwilligen ist glücklicherweise über die Coronazeit erhalten geblieben und die Gäste sind zurückgekommen. Besonders gut läuft es, seit das Café Liesenkötter wegen Personalmangels erst um 11 Uhr öffnen kann. Deswegen ist am Mittwoch auch das „Klassentreffen“ zum ersten Mal im Café Vier Jahreszeiten. Alle vier  Wochen setze man sich zum Klönen zusammen, erzählt Maria Wellen. 1957 hat sie mit Christel Schneider, Geni Voßkort und Gisela Dinkhoff die Dorfschule verlassen, den Kontakt haben die Freundinnen nie verloren. Regina Heckmann erklärt den „Neuen“ die angebotenen Frühstücksvarianten.

Viele Stammgäste
Vielleicht werden sie Stammgäste, wie es schon die Radlergruppe, die  Bridge-Spielerinnen, der Singkreis oder die Rollatorgruppe zum Beispiel sind. Ebenso trifft sich regelmäßig freitags die „Freundinnen-Gruppe“, alle vier  Wochen wie heute die Frauen der Beermann-Brüder oder Kegelclubs, die das Kegeln aufgegeben haben. Allein muss niemand bleiben: „Wer in Saerbeck nicht in die Pötte kommt…“, sagt eine der Ehrenamtlichen.

Wenn sie eintreffen, hat Judith Meier-Essmann mit dem Ehrenamtsteam schon die Tische gedeckt, Aufschnittplatten vorbereitet, Marmelade in Schälchen gefüllt und bei großen Gruppen den Kaffee in Kannen gekocht. Natürlich gibt es auch noch kleine Blumenbouquets auf den Tischen. Vorher hat Meier-Essmann bei Liesenkötter die Brötchen besorgt – fünf große Tüten voll an diesem Tag. „Wir achten da auf Qualität – auch wenn es vielleicht etwas teurer ist“, betont Meier-Essmann. Da viele Gäste vorbestellen und dank langjähriger Erfahrung, kann sie die benötigte Menge knapp kalkulieren. Und notfalls schnell nachholen.

Das passiert auch an diesem Mittwoch. Gegen 10 Uhr fällt auf, dass  noch fünf Brötchen fehlen, Regina Heckmann holt schnell welche nach. Auch Aufschnitt wird knapp, so dass Judith Meier-Essmann nachkaufen muss und Ellen Reddermann unterbricht das fast pausenlose Bedienen des Kaffee-Vollautomaten, um im Keller nach mehr Orangensaft zu schauen. Raimund Lambertz trägt da gerade schon die nächste Reservierung in den Kalender ein…

Dienst wird sehr ernst genommen
Der letzte freie Tisch bleibt nicht lange unbesetzt. Joost und Ingrid Sträter haben sich spontan entschlossen, nach ihrem Arztbesuch im Café zu frühstücken. Joost Sträter hat sich auch als Springer angeboten, wurde aber bislang noch nicht gebraucht. „Die Ehrenamtlichen nehmen den Dienst  sehr ernst“, erklärt Judith Meier-Essmann. Was nicht heißt, dass man jede Woche dabei sein muss. Wer nicht kann, sagt das einfach, bei Bedarf wird über die eigene WhatsApp-Gruppe Ersatz organisiert. Außerdem muss nicht immer das ganze Team kommen, an manchen Tagen geht es auch zu zweit. Das ist nicht nur Irmgard Hericks wichtig: „Wenn ich jede Woche kommen muss, dann würde ich das nicht machen“. 

Wobei es – unzweifelhaft erkennbar am lockeren Umgang miteinander – Spaß macht – auch wenn es an diesem  Mittwoch stressiger als normal ist. Es bleibt immer noch Zeit für ein kurzes Pläuschen mit den Gästen. Nur selbst mal zwischendurch bei einer Tasse Kaffee Pause zu machen, erweist sich für Ellen Reddermann und Regina Heckmann heute als schwierig. Kaum hingesetzt kommt ein älteres Paar herein, das sonst eigentlich immer montags zu Gast ist. Sie trinken ihre Tasse im Stehen an der Theke. 

Neben vielen Stammkunden entdecken auch immer wieder neue Gäste das Café. Wobei Judith Meier-Essmann überzeugt ist, dass „selbst viele Saerbecker uns noch nicht kennen“. „Neue Leute kennenzulernen“, ist für Ellen Reddermann einer der Reize mitzuarbeiten. Vor allem im Sommer gelingt das, denn dann kommen viele Radfahrer durch Saerbeck und setzen sich gerne draußen an die Tische vor dem Mehrgenerationenhaus. 

Neue Mitte des Dorfes
Das MGH ist gerade auch durch die Möglichkeit, sich täglich im Café spontan oder geplant zu treffen, zur neuen Mitte des Dorfes geworden. Wobei man nicht einmal etwas verzehren müsste. „Man kann sich auch einfach hinsetzen und Zeitung lesen“, sagt Judith Meier-Essmann: „Aber das habe ich noch nicht erlebt.“ Wohl aber dass Gäste sich mit einer Tasse Kaffee aus der Kanne begnügen, den es für einen Euro gibt, oder mit einem Glas Wasser, wenn sie sich mehr nicht leisten können. Am Geld soll das Dabeisein nicht scheitern, ist Meier-Essmann wichtig.

Die Preise sollen möglichst moderat bleiben, gerade mal die Kosten decken. Trotzdem bleibt auch das Café Vier Jahreszeiten nicht von den Teuerungen verschont. Sorgenvoll schaut Meier-Essmann mit Regina Heckmann auf die ebenfalls mitgebrachte Rechnung für die Brötchen. Über eine Erhöhung der Preise müsse mit dem Kolping-Vorstand nachgedacht werden. Denn – so eine Bedingung für die Gewährung der Fördermittel für das MGH durch das Bundesfamilienministerium – Defizit darf das Café nicht machen. Das kann nur mit ehrenamtlichen Einsatz und kostendeckenden Materialpreisen gelingen.